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Wie Architecture Decision Records (ADRs) bei der Verwaltung der Softwarearchitektur helfen

Einleitung

Softwarearchitektur ist ein entscheidender Aspekt der Softwareentwicklung, und Architekturentscheidungen können langfristige Auswirkungen auf die relevanten Qualitätsmerkmale eines Systems beeinflussen, wie etwa Skalierbarkeit, Wartbarkeit, Sicherheit oder Performance. Um diese Entscheidungen nachvollziehbar zu dokumentieren und zukünftigen Teams wertvolle Einblicke zu geben, werden Architektur-Entscheidungsprotokolle (Architecture Decision Records, ADRs) verwendet.

In diesem Blogbeitrag erfährst du, warum ADRs wichtig sind, wie sie die Softwarearchitektur verbessern und wie du sie effektiv in deinen Projekten einsetzen kannst.

Was sind Architektur-Entscheidungsprotokolle (ADRs)?

ADRs sind strukturierte Dokumente, die einzelne Architekturentscheidungen inklusive ihrer Begründung und Konsequenzen festhalten. Sie helfen Teams dabei, Entscheidungen langfristig nachvollziehbar zu machen und Änderungen strukturiert zu dokumentieren.

Ein typischer ADR enthält folgende Informationen:

  • Titel: Eine kurze und prägnante Beschreibung der Entscheidung.
  • Kontext: Die Situation oder das Problem, das zu dieser Entscheidung geführt hat.
  • Entscheidung: Die getroffene Wahl und deren Details.
  • Begründung: Warum wurde diese Entscheidung getroffen? Welche Alternativen wurden in Betracht gezogen?
  • Konsequenzen: Die Auswirkungen dieser Entscheidung, sowohl positive als auch negative.

Vorteile von ADRs

1. Transparenz und Nachvollziehbarkeit

ADRs schaffen eine nachvollziehbare Historie von Architekturentscheidungen, die es neuen Teammitgliedern erleichtert, bestehende Entscheidungen zu verstehen. Dadurch können Fehler durch unbewusstes Ändern von Architekturprinzipien vermieden werden.

2. Bessere Kommunikation im Team

Oft werden Architekturentscheidungen informell getroffen oder in Meetings diskutiert, ohne dass sie dokumentiert werden. ADRs ermöglichen es, Entscheidungen klar zu kommunizieren und das gesamte Team einzubeziehen.

3. Unterstützung bei der Entscheidungsfindung

Durch das strukturierte Dokumentieren von Entscheidungen lernen Teams aus vergangenen Erfahrungen und können fundiertere Entscheidungen für zukünftige Änderungen treffen.

4. Erleichterung von Architektur-Reviews

Bei Architektur-Reviews kann auf ADRs verwiesen werden, um frühere Entscheidungen zu begründen. Das spart Zeit und hilft dabei, Diskussionen effizient zu führen.

5. Nachhaltige Wartbarkeit

ADRs helfen langfristig bei der Wartung einer Anwendung, da Entwickler auch nach Jahren verstehen können, warum eine Architekturentscheidung getroffen wurde und welche Konsequenzen dies hat.

Best Practices für die Nutzung von ADRs

1. Einfach halten

ADRs sollten knapp und prägnant formuliert sein. Eine einfache Markdown-Datei pro Entscheidung reicht oft aus, um die wichtigsten Informationen festzuhalten.

2. Konsistente Struktur verwenden

Eine einheitliche Vorlage für ADRs erleichtert das Lesen und Verwalten der Dokumente. Eine verbreitete Struktur ist:

# ADR 001: Einführung von Microservices

## Kontext
Wir möchten unser monolithisches System in eine Microservices-Architektur überführen, um Skalierbarkeit und Wartbarkeit zu verbessern.

## Entscheidung
Wir werden die Kernfunktionen in separate Microservices aufteilen, die über REST-APIs kommunizieren.

## Begründung
- Erhöhte Skalierbarkeit
- Bessere Teamautonomie
- Schnellere Entwicklungszyklen

## Konsequenzen
- Komplexere Infrastruktur
- Notwendigkeit einer API-Gateway-Lösung
- Erhöhte Anforderungen an Monitoring und Logging

3. Versionierung und Änderungsverfolgung

ADRs sollten versioniert und in einem Repository gespeichert werden (z. B. in einem Git-Repository). So bleibt die Historie nachvollziehbar.

4. Umgang mit Veränderungen

1. Regelmäßiger ADR-Review-Prozess

Architekturentscheidungen sollten in definierten Zeitabständen überprüft werden, um ihre Relevanz sicherzustellen. Ein strukturierter ADR-Review-Prozess kann folgendermaßen aussehen:

  • Festlegen eines Review-Zyklus: Beispielsweise vierteljährlich oder halbjährlich sollten ADRs überprüft werden.
  • Überprüfung der Gültigkeit: Sind die Entscheidungen noch aktuell? Haben sich Rahmenbedingungen geändert?
  • Bewertung der Auswirkungen: Gibt es technische oder betriebliche Herausforderungen durch bestehende Entscheidungen?
  • Anpassung oder Ergänzung: Falls nötig, werden neue ADRs erstellt oder bestehende als veraltet markiert und durch neue ersetzt.
  • Dokumentation der Änderungen: Jede Überprüfung sollte nachvollziehbar dokumentiert werden, um einen langfristigen Verlauf der Architekturentscheidungen sicherzustellen.

Beispiel für eine Änderung eines bestehenden ADR

# ADR 002: Wechsel von REST zu gRPC für Microservices-Kommunikation

## Kontext
Die vorherige Entscheidung (ADR 001) sah REST als Kommunikationsmethode für Microservices vor. Aufgrund steigender Anforderungen an Performance und Effizienz ist dies nicht mehr optimal.

## Entscheidung
Wir wechseln von REST zu gRPC für die interne Kommunikation zwischen Microservices.

## Begründung
- Geringere Latenz durch binäres Protokoll
- Bessere Unterstützung für Streaming-Anwendungen
- Automatische Generierung von Client-Bibliotheken

## Konsequenzen
- Notwendigkeit zur Anpassung der bestehenden Microservices
- Schulung des Teams im Umgang mit gRPC
- Neue Anforderungen an Monitoring und Debugging

## Verweise
- Ersetzt ADR 001

2. Neue ADRs für Änderungen erstellen

Anstatt eine bestehende ADR einfach zu überschreiben, sollte eine neue ADR erstellt werden, die die vorherige Entscheidung referenziert und erläutert, warum eine Anpassung notwendig ist.

    Beispiel: Angenommen, in einer früheren ADR wurde festgelegt, dass für die interne Kommunikation zwischen Microservices REST verwendet wird. Nach einiger Zeit zeigt sich jedoch, dass eine effizientere Lösung benötigt wird. Statt die ursprüngliche ADR zu ändern, wird eine neue ADR erstellt:

    # ADR 003: Wechsel von REST zu gRPC
    
    ## Kontext
    Die vorherige Entscheidung (ADR 001) sah REST als Kommunikationsmethode vor. Aufgrund steigender Anforderungen an Performance und Effizienz soll auf gRPC umgestellt werden.
    
    ## Entscheidung
    Microservices kommunizieren zukünftig über gRPC anstatt über REST.
    
    ## Begründung
    - Reduzierte Latenz durch binäre Kommunikation
    - Bessere Unterstützung für Streaming
    - Automatische Generierung von Client-Bibliotheken
    
    ## Konsequenzen
    - Notwendige Umstellung bestehender Services
    - Einführung eines Protokoll-Buffers-Formats
    - Anpassung der Monitoring- und Debugging-Strategien
    
    ## Verweise
    - Ersetzt ADR 001

    Durch diesen Ansatz bleibt die Architekturhistorie erhalten, und jede Entscheidung bleibt nachvollziehbar.

    3. Den Verlauf dokumentieren

    Jede Entscheidung sollte eine Historie haben, sodass Teams sehen können, wie sich die Architektur über die Zeit entwickelt hat.

    4. Regelmäßige Überprüfung einplanen

    Teams sollten in regelmäßigen Abständen bestehende ADRs prüfen, um sicherzustellen, dass sie weiterhin relevant sind.

    5. Deprecation von alten ADRs

    Falls eine frühere Entscheidung durch eine neue ersetzt wird, sollte die alte ADR entsprechend als „veraltet“ markiert und mit einem Verweis auf die neue ADR versehen werden.

    5. Vorschläge zum Verfassen guter ADRs

    Merkmale eines guten ADR:

    • Begründung (Rationale): Erkläre die Gründe für die getroffene Architekturentscheidung. Dies kann den Kontext, Vor- und Nachteile verschiedener Optionen, Vergleiche von Funktionen sowie Kosten-Nutzen-Überlegungen beinhalten.
    • Spezifität: Jeder ADR sollte sich auf eine einzelne Architekturentscheidung beziehen und nicht mehrere Entscheidungen in einem Dokument zusammenfassen.
    • Zeitstempel: Dokumentiere, wann jede Entscheidung und jede Ergänzung festgehalten wurde. Dies ist besonders wichtig für Aspekte, die sich über die Zeit ändern können, wie Kosten, Zeitpläne oder Skalierungsanforderungen.
    • Unveränderlichkeit: Bestehende Informationen in einem ADR sollten nicht nachträglich verändert werden. Stattdessen sollten neue Erkenntnisse hinzugefügt oder eine neue ADR erstellt werden, die eine frühere Entscheidung ersetzt.

    Merkmale einer guten „Kontext“-Sektion in einem ADR:

    • Erkläre die aktuelle Situation und die geschäftlichen Prioritäten der Organisation.
    • Berücksichtige soziale und teambezogene Faktoren wie die vorhandenen Fähigkeiten und Erfahrungen der Teams.
    • Beschreibe relevante Vor- und Nachteile der Entscheidung und beziehe sie auf die spezifischen Bedürfnisse und Ziele des Unternehmens.

    Merkmale einer guten „Konsequenzen“-Sektion in einem ADR:

    • Beschreibe die Auswirkungen der Entscheidung. Dies kann sich auf technische Effekte, betriebliche Ergebnisse oder notwendige Folgeaktivitäten beziehen.
    • Dokumentiere nachfolgende ADRs, die aus dieser Entscheidung resultieren. Oft führt eine große Architekturentscheidung zu mehreren kleineren nachgelagerten Entscheidungen.
    • Führe mögliche Nachprüfungsprozesse auf. Es ist gängige Praxis, eine Architekturentscheidung nach einem Monat zu überprüfen, um die theoretische Erwartung mit den realen Ergebnissen zu vergleichen und daraus zu lernen.

    Eine neue ADR kann eine frühere ADR ersetzen:

    Wenn eine Architekturentscheidung eine frühere ADR überholt oder ungültig macht, sollte eine neue ADR erstellt werden. Dadurch bleibt die Dokumentation konsistent und frühere Entscheidungen bleiben nachvollziehbar. Die neue ADR sollte explizit auf die ersetzte ADR verweisen und den Grund für die Änderung klar darlegen.

    6. Teamweite Einführung und Schulung

    Damit ADRs effektiv genutzt werden, sollten alle Teammitglieder über ihre Bedeutung und Nutzung informiert werden. Ein strukturierter Workshop kann dabei helfen, die Grundlagen zu vermitteln und eine gemeinsame Arbeitsweise zu etablieren.

    Beispiel für einen ADR-Workshop

    Zielgruppe:

    • Software-Architekten
    • Entwickler
    • DevOps-Ingenieure
    • Product Owner

    Ablauf:

    1. Einführung in ADRs (30 Min)
      • Was sind ADRs und warum sind sie wichtig?
      • Beispiele für gute ADRs
      • Best Practices für das Schreiben von ADRs
    2. Praktische Übung (45 Min)
      • Gemeinsames Erstellen eines ADRs für eine aktuelle Architekturentscheidung
      • Feedback-Runde und Verbesserungsvorschläge
    3. Review-Prozess (30 Min)
      • Wie werden ADRs gepflegt und regelmäßig überprüft?
      • Wer ist für die Überprüfung verantwortlich?
      • Diskussion zu Herausforderungen und Lösungen
    4. Q&A und Abschluss (15 Min)
      • Offene Fragen klären
      • Nächste Schritte und Verantwortlichkeiten definieren

    Durch diesen Workshop werden alle relevanten Teammitglieder befähigt, ADRs effizient zu nutzen und in den Entwicklungsprozess zu integrieren.

    Fazit

    Architektur-Entscheidungsprotokolle sind ein wertvolles Werkzeug für die Dokumentation und Verwaltung der Softwarearchitektur. Sie fördern Transparenz, verbessern die Kommunikation und erleichtern die Wartung von Systemen. Durch eine strukturierte und disziplinierte Nutzung von ADRs kann dein Team langfristig bessere Architekturentscheidungen treffen und diese nachhaltig dokumentieren.

    Hast du bereits Erfahrungen mit ADRs gemacht oder möchtest sie in deinem nächsten Projekt einführen? Teile deine Gedanken und Fragen in den Kommentaren!

    Weitere Informationen

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